gehalten von der Fraktionsvorsitzenden Stefanie Janßen-Rickmann in der Sitzung des Rats der Stadt Bünde am 14.03.2023
Sehr geehrte Bürgermeisterin Frau Rutenkröger,
sehr geehrte Damen und Herren,
Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich an dieser Stelle ein ausdrückliches Dankeschön aussprechen: an all die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Bünde und an alle Ehrenamtlichen, die sich in unterschiedlicher Weise für das Gemeinwohl engagieren. Der Verein International, der Verein Brückenschlag Ukraine, die Freiwillige Feuerwehr, das THW, das DRK und viele, viele mehr. Ich bin froh und berührt, wie stark die Zivilgesellschaft in Bünde Weltoffenheit, Empathie und Solidarität zeigt.
In diesem Jahr hatten wir eine sehr interessante Sonderausstellung in unserem Museum: „Unser Planet, unsere Regeln – geliebt, gequält, gegessen“. Bei einer Veranstaltung innerhalb dieser Ausstellung begegnete ich der Autorin Tanja Busse, die unter anderem an dem Buch: „Welche Rechte braucht die Natur?“ beteiligt ist. Diese Frage würde ich erweitern um: „Welche Rechte braucht der Klima- und Umweltschutz?“
Unsere neue Gleichstellungsbeauftragte Frau Buettner brachte uns zur Erinnerung an die Gleichstellung das Büchlein „Meine Grundrechte in der Europäischen Union“ mit. In diesen Grundrechten ist sichergestellt, dass alle Menschen egal welcher Kultur, Religion, Sprache oder Geschlecht gleich sind. Das ist gut, richtig und wichtig – dennoch müssen wir uns ab und zu selbst daran erinnern, wenn wir mal wieder aus Gewohnheit in unseren Alltagsrassismus und strukturellen Rassismus verfallen und stereotypisieren.
Die Natur hat wenig Rechte, der Klima- und Umweltschutz ebenso wenig. Wenn wir es nicht einmal schaffen die vorhandenen Grundrechte der Menschen zu achten – wie ist es um die nur ansatzweise vorhandenen Grundrechte der Natur und des Klima- und Umweltschutzes gestellt?
An dieser Stelle können wir weder die europäischen noch die deutschen Grundrechte ändern, aber wir können hier in Bünde etwas für die Natur, den Klima- und Umweltschutz tun. Einige Aspekte haben wir bereits angepackt und umgesetzt, z.B. sind wir Vorreiter in der LED-Beleuchtung der Straßenlaternen. Aber: Der große Wurf ist uns noch nicht gelungen.
Auch der Verkehrsentwicklungsplan unterbreitet viele Vorschläge, die unserem Klima guttun, die nur umgesetzt werden müssen. Bisher hat sich die Politik hinter dem nicht vorhandenen Klimamanagement oder dem noch nicht abgestimmten Verkehrsentwicklungsplan versteckt. Wir haben bereits einige Anträge gestellt, mussten uns aber immer wieder den oft trägen Mehrheiten des Rates beugen und warten.
Was sagt unser Haushalt dazu? Ich habe mal nachgezählt:
Das Wort Klima wird 25 mal, Umwelt 23 mal und Natur 23 mal erwähnt. Das Wort Verkehr wird 183 mal, das Wort Straßen 116 mal, das Fahrrad wird 7 mal erwähnt, Radverkehr und Radwege 21 mal. Leider spiegelt die Anzahl der Erwähnungen auch die Priorisierungen in unserem Haushalt wieder.
Auf die strukturellen Bedingungen brauche ich gar nicht einzugehen, das haben meine beiden Vorredner zu Genüge getan.
Schauen wir uns einmal unseren Haushalt 2023 an:
Die Gesamtausgaben belaufen im Haushaltsjahr 2023 auf 128 Mio. Euro. Für den Umwelt- und Klimaschutz sind 100.000 Euro enthalten, die wir Grünen in den letzten Jahren mühsam erkämpft haben. Für diese 100 T€ werden Bäume gepflanzt und Balkon-PV-Anlagen gefördert. Weitere Verifizierungen sind nicht möglich. Das liegt an dem fehlenden Umweltamt – bzw. an dem fehlenden Teilergebnisplan Umwelt- und Klimaschutz.
Die Einnahmen des Haushaltes belaufen sich auf knapp 121 Mio. Euro; das Defizit ist somit über 8,5 Mio. Euro – und das ist sogar dank dem NKF-Covid-19-Ukraine-Isolierungsgesetz noch schön gerechnet – dieses Problem hat nicht nur Bünde, sondern viele Kommunen in NRW. Wir verschieben mit Hilfe dieses Gesetzes die Abzahlung der Coronapandemie und des Krieges, da wir die Ausgaben als Investition betrachten. Echte Investitionen, wie z. B. die Fassadensanierungen der Schulen, werden in diesem Haushaltsentwurf in das Jahr 2027 geschoben. Und dies obwohl mit den Fassadensanierungen Energie einzusparen ist. Das ist aktive Klimaschutzvermeidung! Ein schneller Ausbau der PV-Anlagen auf den Dächern von Bünde und mehr Freiflächenphotovoltaikanlagen würden uns unabhängiger machen. Auf Grund unserer Anträge hat nun endlich das Rathausdach eine Photovoltaikanlage und weitere Freiflächen für Photovoltaikanlagen werden geprüft.
Wir haben viele Krisen: Russland als Aggressor, der den Angriffskrieg in der Ukraine entfacht, die Erdbeben in Syrien und in der Türkei, die soziale Ungerechtigkeit weltweit, in Deutschland und auch in Bünde. Die großen Krisenwellen, deren Ausläufer wir langsam spüren, rollen heran: die Klimakrise und die Biodiversitätskrise. Den Krieg und das Erdbeben können wir nicht verhindern, aber wir können etwas für unsere Umwelt und unser Klima tun! Denn jeder investierte Euro in den Klimaschutz – z. B. in die Gebäudesanierungen – amortisieren sich mit den eingesparten laufenden Energiekosten. Im aktuellen SPIEGEL steht, dass die Erzählung, dass Klimaschutz und Anpassung „so teuer“ wäre, ad absurdum geführt wird, denn die Folgen der Klimakrise werden in Deutschland zwischen 280 Milliarden und 900 Milliarden Euro liegen – und je weniger wir tun, desto teurer wird es.
Aber wahrscheinlich werden diese Kosten (wie auch die Kosten für die Auswirkungen von Covid) einfach auf die nächste Generation verschoben. Natürlich ist es da von Vorteil, dass diese Generation im Rat auch nicht angemessen vertreten ist.
Der vorgelegte Haushalt bagatellisiert die Klimakrise, weil er für die angemessenen Maßnahmen keine halbwegs ausreichende Finanzierung vorsieht. Die Klimaziele des Bundes oder gar das Pariser Klimaabkommen von 2015 werden nicht berücksichtigt.
UN-Generalsekretär Guterres sagte auf der Weltklimakonferenz in Sharm El-Sheikh zutreffend: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, will heißen, dass wir auf eine 3-Grad-Welt zusteuern und immer noch nicht auf der Bremse stehen. Auch wenn viele hoffen, dass dieser Kelch an uns vorübergeht: Er wird es nicht tun und wir können die Folgen des Klimawandels nur noch abmildern. Das heißt dann folglich auch: wir müssen unser politisches Handeln vor Ort konsequent danach ausrichten.
Die letzte Wahl in Bünde wurde auch gewonnen mit folgenden Versprechen:
– Klimaneutralität bis 2035 sei (Zitat) „ein anzustrebendes Ziel“
– Eine Mobilitätswende mit (Zitat) „mehr Attraktivität im ÖPNV, mehr Investitionen fürden Radverkehr“
– (Zitat) „Wir brauchen ein Umweltamt“
Leider ist davon in den letzten Jahren viel zu wenig umgesetzt worden.
Es schallt uns noch in unseren Ohren „Offenheit und Transparenz sei das Ziel“. Leider hat nicht nur der Redakteur der NW vom 24.02.2023 den Eindruck, dass es mit der Transparenz und Offenheit nicht immer weit her ist. Natürlich müssen private Interessen gewahrt bleiben, aber in Sachen Cordes-Gelände geht es auch um das öffentliche Interesse. Ein Plan, wann es wie weitergeht, wäre hilfreich und würde keinen Investor, Interessenten oder andere Personen verscheuchen.
Welche Projekte wollen wir angehen? Welche schieben wir? Welche sind auch schon aus der Zeit gefallen? Welche Freiräume und Spielräume für weitere Projekte müssen und sollen wir uns lassen?
Auch der Hochwasserschutz erfordert Handlungen.
All dies sind Fragen, die zu jeder einzelnen Investition gestellt und diskutiert werden müssen. Und dieses Vorgehen wird weit mehr als nur eine oder zwei Sitzungen brauchen.
Der effiziente Einsatz unserer finanziellen und personellen Ressourcen für das notwendige Handeln erfordert Priorisierung. Der Haushalt 2023 der Stadt Bünde ist das Instrument, diese Priorisierungen zu setzen und sichtbar zu machen. Und genau an dieser Stelle sehen wir, dass es in Bünde kein konsequentes Commitment gibt, den Klimaschutz gesamtheitlich zu denken und einen verbindlichen Fahrplan mit verbindlichen Zielen in allen relevanten Sektoren zu verankern.
Komfortable und sichere Fahrradmobilität als attraktive Alternative zum automobilen Individualverkehr, in Hitzesommern kühlende Grünflächen und Bäume statt noch mehr Parkplätze im Innenstadtbereich, klimaschonender Wohnungs- und Gewerbebau, stark reduzierter Flächenverbrauch, und eine Energieproduktion, an der alle Anteile haben, sind genau die Wege, welche die Wertschöpfung in Bünde halten, den Geldbeutel unserer BürgerInnen schonen, Bünde lebenswert und gesund machen und allen zugutekommen.
Wenn dieses Szenario gewünscht ist, dann müssen die finanziellen Mittel auch in diese Richtung gelenkt werden.
Wir müssen jetzt – nicht morgen – die Mittel in die Hand nehmen, um hier vor Ort fossile Energieträger zu ersetzen, um unseren Energiehunger zu bremsen, um unsere Mobilität neu zu organisieren. Wir brauchen dafür Beratung und Pläne: Für ein effektives Nahwärmenetz, für effizienten Einsatz von Photovoltaik, Windkraft und Biomasse.
Unsere Zustimmung oder Ablehnung machen wir abhängig von der im Anschluss an die Haushaltsreden stattfindenden Diskussion zu unserem Haushaltsbegleitantrag.
Eine Zustimmung würde im Vertrauen darauf erfolgen, dass das in unserem Haushaltsbegleitantrag zur Verfügung gestellte Budget für das Klimaschutzmanagement die Stadt Bünde auf den Weg in Richtung Klimaneutralität bringt.
Eine Ablehnung stünde nicht im Zusammenhang mit der Kämmerei oder der Verwaltung, die in unseren Augen gute Arbeit leistet – Vielen Dank dafür. Unsere Ablehnung ginge ausdrücklich an die Bünder Politik, die bei vielen Anträgen, die den Klima- und Umweltschutz nach vorne bringen, auf der Bremse stehen und für die ein „Weiter so“ die Wahl ist. – Wir benötigen jetzt eine echte Zeitenwende.
Wir danken der Verwaltung für Ihre Vorbereitung des Haushaltes und insbesondere Herrn Berg für die investierte Zeit, um all unsere Fragen zu beantworten.
Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.